In Deutschland begegnet man oft dem Wunsch von medizinischem Personal wie Pflegekräften oder Rettungsdienstmitarbeitern, sich zum Arzt oder zur Ärztin weiterzubilden. Bisher blieb ihnen jedoch aufgrund fehlender allgemeiner Hochschulreife der Weg zum Medizinstudium verschlossen.

Ein neu gestaltetes Vergabesystem für Studienplätze in der Medizin soll zukünftig auch Kandidaten ohne traditionelles Abitur den Weg in medizinische Studiengänge ermöglichen. Unter bestimmten Bedingungen wird das Studium der Medizin ohne Abitur denkbar.

 

Zugang zum Medizinstudium bisher vorwiegend über Spitzennoten

Traditionell war ein ausgezeichnetes Abitur fast die einzige Voraussetzung, um für das Studium in Humanmedizin, Veterinärmedizin, Zahnmedizin und Pharmazie in Betracht gezogen zu werden. Angesichts einer starken Konkurrenz von bis zu 50.000 Bewerbern pro Jahr gibt es nur rund 11.000 Studienplätze. Wer kein Spitzeneinser-Abitur vorweisen kann, muss mitunter lange Wartezeiten in Kauf nehmen, oftmals über 15 Semester.

Nach solch einer langen Wartezeit haben viele Interessenten oft schon berufliche Alternativwege beschritten und private Verpflichtungen wie eine Familie. Für diese Personen stellt die Aufnahme eines Medizinstudiums eine finanziell belastende Entscheidung dar.

 

Landärzte dringend benötigt

Der steigenden Zahl an Bewerbungen um Medizinstudienplätze steht ein beachtlicher Mangel an Allgemeinmedizinern entgegen, insbesondere in ländlichen Gebieten. Verschiedene Maßnahmen, wie beispielsweise eine Landarztquote, die in Nordrhein-Westfalen eingeführt wurde, zielen darauf ab, diesem Engpass zu begegnen. Bewerber, die sich zu einer zehnjährigen Tätigkeit als Hausarzt in unterversorgten Gebieten verpflichten, erhalten bevorzugt Studienplätze, müssen aber mit hohen Strafzahlungen rechnen, sollten sie sich nicht an die Abmachung halten.

 

Diskussion um den Numerus Clausus

Die bisherige Praxis, Studienplätze vornehmlich auf Basis der Abiturleistungen zu vergeben, ist umstritten. Während Befürworter die kognitiven Fähigkeiten und Arbeitshaltung von Spitzenabiturienten hervorheben, betonen die Gegner die Bedeutung persönlicher und sozialer Kompetenzen, die weit über Noten hinausgehen. Auch die Vergleichbarkeit der Abiturnoten zwischen den Bundesländern wird kritisiert.

 

Bundesverfassungsgericht fordert Überarbeitung der Zulassungspraxis

Am 19. Dezember 2017 stufte das Bundesverfassungsgericht Teile des Zulassungsverfahrens zum Medizinstudium als verfassungswidrig ein und forderte eine Reform bis Ende 2019. Neue Kriterien sowie größere Transparenz und Vergleichbarkeit der Abiturnoten über die Ländergrenzen hinweg sollten eingeführt werden.

Zukunftsvision: Medizinstudium auch ohne allgemeine Hochschulreife

Die Kultusministerkonferenz entwickelte daraufhin neue Regelungen, die unter anderem das Studieren der Medizin auch ohne Abitur ermöglichen sollen. Zudem soll die Selektion der Studienanfänger überarbeitet werden.

 

Bisherige Vergabe und anstehende Änderungen

Die Studienplätze wurden bisher zu 20 Prozent nach Numerus Clausus, zu 20 Prozent nach Wartezeit und zu 60 Prozent durch die Hochschulen selbst vergeben, wobei auch hier meist die Abiturnoten ausschlaggebend waren. Zukünftig soll auf die Wartezeitquote verzichtet werden, und Universitäten sollen verpflichtet werden, neben der Abiturnote zwei weitere Kriterien in ihr Auswahlverfahren mit einfließen